Zweite Fremdsprache
An (höheren) deutschen Schulen ist es üblich, neben dem Englischen eine zweite Fremdsprache zu unterrichten, in der Regel Französisch. Mag sich hierin auch das ehrenwerte Vorhaben einer Pflege der deutsch-französischen Freundschaft manifestieren, so entpuppt sich dennoch dieses Unterfangen im Lichte leidenschaftsloser Vernunft als eine riesengroße Dummheit.
Dies wird sofort klar, wenn man sich einmal vergegenwärtigt, wie Verständigungsversuche etwa zwischen deutsch-französischen Austauschschülern abzulaufen pflegen. Der Deutsche kratzt sein Schulfranzösisch zusammen, der Franzose kratzt sich am Ohr und versucht es seinerseits mit den ihm zu Gebote stehenden deutsche Brocken. Am Ende radebrechen beide auf Englisch, was dann zwar mühsam, aber immerhin funktioniert.
Die Verständigung auf Englisch würde natürlich noch viel besser klappen, wenn beide das Englische gründlicher gelernt hätten, anstatt einen Teil ihrer Energie an die zweite Fremdsprache zu verschwenden.
Wenn es darum geht, sich im Ausland zu verständigen, reicht eine einzige Fremdsprache, nämlich das Englische, das sich inzwischen im Tourismus und Geschäftsleben als weltweites Verständigungsmittel Nummer eins etabliert hat. Würde jeder Mensch auf dieser Erde als erste und einzige Fremdsprache Englisch lernen, wären alle Verständigungsprobleme Vergangenheit. So einfach wäre das! (Man versteht nur schwer, warum es nicht längst eine internationale Übereinkunft gibt, die das Englisch zum weltweiten Pflichtfach an allen Schulen macht.)
Das Argument, die Beschränkung auf eine Fremdsprache stelle eine Verarmung dar, zieht nicht. Denn angesichts der ca. 3000 (!) Sprachen auf dieser Erde (die Dialekte nicht eingerechnet) wäre auch das Erlernen von 10 oder 20 oder 100 Sprachen immer noch eine "Verarmung". Universale Sprachbildung ist ein Ding der Unmöglichkeit!
Wenn es eine kulturelle Pflicht wäre, die Sprache unserer Nachbarländer zu lernen, so kämen hierfür neben dem Französischen ebenso das Dänische, Holländische, Polnische oder Tschechische in Frage. Was sollte hier Frankreich vor den anderen auszeichnen?!
Wenn es darum ginge, neben dem Englischen eine weitere "Weltsprache" zu lernen, käme vor dem Französischen eher Spanisch, Russisch oder Chinesisch in Betracht.
Natürlich darf jeder lernen, was und so viel er will. Wer Französisch lernen will, soll das tun. Wer gerne Chinesisch lernen möchte, soll das auch tun. Und wer gerne 37 afrikanische Dialekte beherrschen möchte, dem sei auch dieser Wunsch von Herzen vergönnt. Selbst das Erlernen toter Sprachen wie Latein, Hebräisch oder Altgriechisch mag für manche sinnvoll und erquicklich sein.
Aber bitte in der Freizeit und nicht als verbindlicher Lehrstoff an öffentlichen Schulen!
Leider wird die offensichtliche Möglichkeit zu einer Entschlackung des Lehrstoffs nicht erkannt. Statt dessen treibt man die didaktische Dummheit vielerorts noch auf die Spitze, indem man als Alternative zum Französisch das Lateinische anbietet. Man fasst es nicht! Und was das Schärfste ist: es wird von vielen Schülern auch noch gewählt, und die glauben allen Ernstes, damit das große Los zu ziehen. Denn...
non scholae sed vitae discimus ... lingua latina.
Nicht für die Schule sondern fürs Leben lernen wir ... Latein.